Landrat Christiansen kommentierte eine mögliche Anhebung der Gewerbesteuerhebesätze in unserer Region. „Mit seiner Forderung hat der Finanzminister die Vertrauensbasis für die Verhandlungen zum neuen Finanzausgleichsgesetz zerstört.“
"Beim Geld hört die Freundschaft auf. Die kommunale Familie rüstet sich zur Attacke gegen die Landesregierung, nachdem Finanzminister Matthias Bordkorb (SPD) jüngst über einen Zwang zur Anhebung niedriger Gewerbesteuerhebesätze in wohlhabenden Kommunen zugunsten ärmerer Gemeinden räsoniert hatte. Auf dem ersten Neujahrsempfang des Jahres am Mittwochabend in Wittenburg forderte Bürgermeisterin Margret Seemann ihre Amtskollegen der Region auf, sich zur Rebellion zu verbünden: „Sorgen Sie mit dafür, dass in den Kommunen, in denen der Motor läuft, er nicht durch gezieltes Steuern der Landesregierung und der gewählten Volksvertreter im Landtag gedrosselt, abgewürgt und zum Stillstand gebracht wird.“ Die regierungserfahrene Bürgermeisterin warnte, hinsichtlich Investitionen und Unternehmensansiedlungen stünde nicht Mecklenburg mit Vorpommern in Konkurrenz, sondern mit Hamburg, Schleswig-Holstein, oder Niedersachsen. „Unternehmen werden nicht den Wunschträumen der Landesregierung folgen und sich nach einer erzwungenen Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes dann in Vorpommern ansiedeln, sondern in ein anderes Bundesland abwandern – und damit entfallen die Steuern für MV komplett“, so Seemann.
Landrat Rolf Christiansen, auch SPD-Mitglied und Vorsitzender des kommunalen Spitzenverbandes Landkreistag, legte noch eine Schippe drauf: „Mit seiner Forderung hat der Finanzminister die Vertrauensbasis für die Verhandlungen zum neuen Finanzausgleichsgesetz zerstört.“ Er habe den Eindruck, dass „einige Verantwortliche die Situation der Kommunen total verkennen“. Als Beispiel nennt er die Debatte um die Kosten der Flüchtlingsbetreuung. „Ich habe noch nie so barsche Reaktionen bekommen wie im letzten Jahr.“
Bei der Diskussion um den neuen kommunalen Finanzausgleich ab 2018 fühle sich die kommunale Familie „in keiner Weise mitgenommen“, so der Landrat. „Bevor uns auch nur Zwischenergebnisse aus dem wissenschaftlichen Gutachten präsentiert wurden, versucht die Regierung schon Pflöcke einzuschlagen“, so der erfahrene Kommunalpolitiker. Der Landrat beklagt eine zunehmende Tendenz der Regierung, einseitig Festlegungen zu treffen. „Uns erschreckt diese Neigung, die Kommunen an der ganz kurzen Leine halten zu wollen.“ Darüber hinaus sei es unlauter, wie das Land etwa mit den in der Föderalismusdebatte zugesagten Mitteln zur Stärkung der Kommunen umgeht. „Der Bund hat ausdrücklich gesagt, er will, dass das Geld direkt den Kommunen zufließt. Dennoch maßt sich das Land an, vermeintliche Landeskosten vorweg abzuziehen.“
Diese Sorgen hätten die Kommunalverbände der Regierung am Jahresende in einem „Brandbrief“ mitgeteilt. „Die Reaktionen darauf waren ernüchternd“, so der Landrat."
Michael Seide: "Bürgermeister attackieren Land", Schweriner Volkszeitung (06.01.2017)
Alles nur ein Missverständnis?
Kommunen und Wirtschaft laufen Sturm: Die Pläne der rot-schwarzen Landesregierung zur Erhöhung der Gewerbesteuern für erfolgreich wirtschaftende Kommunen zugunsten Schwächerer bringt die kommunale Gemeinde auf. Finanzminister Mathias Brodkorb (SPD) verteidigte hingegen die Pläne. Torsten Roth sprach mit ihm.
Was ist los, Herr Brodkorb: Das Gutachten zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs liegt noch nicht auf dem Tisch, da sorgen Sie mit der Debatte um Dumpinghebesätze bei den Gewerbesteuern vor allem in Westmecklenburg für Frust. Nur ein Testballon oder ein ernsthafter Finanzplan?
Brodkorb: Das Grundprinzip unseres Sozialstaates lautet: Alle Bürger profitieren von denselben öffentlichen Leistungen und tragen nach ihrer Leistungsfähigkeit zu ihrer Finanzierung bei. Unser Land profitiert von diesem Prinzip im Länderfinanzausgleich in Milliardenhöhe. Nur dadurch haben wir je Einwohner etwa so viel Geld zur Verfügung wie die anderen Bundesländer. Das Prinzip des Zusammenhalts sollte auch in unserem Land gelten. Die ersten Kommunalvertreter sehen mit derartigen Vorschlägen bereits das Vertrauensverhältnis zerstört. Was nun? Ich denke, dass es schlicht zu Missverständnissen gekommen ist. Zwischen Gadebusch und Grevesmühlen liegen nur 25 km. Im Jahr 2015 lag der Hebesatz in Gadebusch bei nur 200 Prozent, in Grevesmühlen hingegen bei 350 Prozent. Welchen sachlichen Grund soll es dafür geben? Gadebusch hat deshalb inzwischen einen ersten Schritt getan, um seinen Hebesatz dem Durchschnitt des Landes anzupassen. Das begrüße ich. Sie kritisieren, dass einzelne Kommunen auf Kosten anderer einen Dumpingwettbewerb mit Niedrighebesätzen unternehmen. Doch Ihre Vergleich hinkt: Die Gemeinden in Westmecklenburg stehen doch nicht mit Kommunen im Osten des Landes im Wettbewerb, sondern mit der Region rund um Hamburg. Genau das ist ja der Punkt. Und genau deshalb macht es auch keinen Sinn, wenn sich bspw. Gadebusch und Grevesmühlen gegenseitig Konkurrenz machen. Ich unterstütze daher den Innenminister, der sich seit vielen Jahren bemüht, den Zusammenhalt unserer Gemeinden im steuerlichen Bereich zu stärken. Was ist schlimm daran, dass Gemeinden in MV mit niedrigen Hebesätzen um die Ansiedlung von Unternehmen werben können? Es geht nicht um niedrige, sondern zu niedrige Hebesätze einzelner, weniger Gemeinden. Die Summe, die das Land durch den bundesweiten Finanzausgleich erhält und die dann auch den Kommunen zur Verfügung steht, wird bei zu niedrigen Hebesätzen gekürzt. Land und Kommunen verlieren dadurch Millionenbeträge. Das sollten wir alle gemeinsam vermeiden. Warum wollen Sie Kommunen mit guter wirtschaftlicher Basis bestrafen und glauben, damit z. B. Vorpommern schneller voranbringen zu können? Es hat schon die letzten 25 Jahre trotz höchster Fördersätze nicht funktioniert. Niemand soll bestraft werden und es geht auch nicht darum, die Landesteile gegeneinander auszuspielen. Es ist richtig, wenn die Hebesätze bei uns im Land nicht so hoch sind wie z. B. in Hamburg. Erstens brauchen wir noch mehr wirtschaftliche Entwicklung und zweitens kann Hamburg eine ganz andere Infrastruktur bieten. Aber wir sollten gerade in der Konkurrenz mit Hamburg zusammenhalten und uns nicht auseinander dividieren – und keine Finanzverluste in Millionenhöhe in Kauf nehmen. Bayern hat es gemacht und ist damit gut gefahren, Wissenschaftler fordern es, selbst in ihrer eigenen Partei drängt man darauf: Stärken stärken. Den Starken zu schwächen, wird dem Schwachen auf Dauer nicht helfen können, sondern die wenigen Starken ebenfalls in die Knie zwingen, meint Landrat Rolf Christiansen. Haben die alle unrecht? Ich will niemanden schwächen, sondern unsere Stärken bündeln. Und ich bin sicher, dass ich im Grunde mit Herrn Christiansen darin einer Meinung bin. Ich werde zeitnah mit dem Landrat das Gespräch suchen und bin sicher, dass sich die Missverständnisse ausräumen lassen.
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