Stefan unser Kandidat

Stillstand hasst er. Wenn sich nichts bewegt, nichts passiert. Sein direktes Umfeld hat sich daran gewöhnt. Diesen Eifer, der schnell mal nervig wird. Er lässt aber auch seine Gäste nicht in Ruhe.




Stefan Sternberg (34) kommt gerade vom Wöbbeliner Spargelanstich zurück in sein Bürgermeisterbüro in Grabow. Verschmitzt zieht er zur Begrüßung den rechten Mundwinkel nach oben. „Fahren Sie Fahrrad?“, fragt er. Eine Frage ist es nicht. Im Hinterhof des Rathauses stehen die Räder schon bereit.

Es sei gar nicht weit weg, schiebt er hinterher. Wie alles in Grabow nicht weit weg ist, der 6000-Einwohner-Stadt, die mit ihren Fachwerkhäusern aussieht wie ein Märchendorf. Das ist auch sein Verdienst. Seit 2013 ist er der Bürgermeister. Schon 2002 saß Sternberg in der Stadtvertretung, da war er gerade volljährig geworden. Und vorher, mit 14 Jahren, war Sternberg Vorsitzender des Grabower Jugendrates. Ihn kennt hier jeder. Und er kennt jeden.

Ziel der kleinen Radtour ist das Waldbad, DDR-Anmut, viel Beton und Baracken. Für ihn gelebte Erinnerung.

Als Kind schwamm er in dem 25-Meter-Becken, seine Großmutter schaute ihm dabei zu. Jetzt schiebt er sein Fahrrad vorbei an Bauarbeitern, die ihn duzen. Sie renovieren die Tribüne und pflastern die Wege. Er hat es mit angeschoben. „Ideen sind nicht für mich da“, sagt Sternberg. Sie seien für die Menschen, um sie solle es gehen, nicht um ihn.

Das macht er häufiger. Solche Sätze sprechen oder besser: hauchen, die leicht und samtig sind wie Seide, die niemandem wehtun, gegen die schwer anzukommen ist. Bloß keine Angriffsfläche bieten. Die Methode Merkel. Und tatsächlich. Im Laufe des Gesprächs kopiert der SPD-Mann fast eins zu eins den Wahlspruch der Christdemokraten, mit dem diese im Vorigen Jahr Bundestagswahl gewannen. Sein Ziel als Landrat: „Ein Landkreis, in dem man gerne lebt.“

Ministerpräsidentin und SPD-Landeschefin Manuela Schwesig schätzt Sternbergs Engagement und seine Art, die Dinge anzugehen. Da kann er mal einen Merkel-Spruch bringen. Zu perfekt passt er in den Plan der Landesvorsitzenden, der Partei ein jüngeres Gesicht zu verpassen. Also: Eine Nominierung aus Gnade?

Nein, sagt Sternberg. Die Verjüngung sei kein Selbstzweck oder gar ein Vorwand, Genossen loszuwerden, die an ihren Stühlen klebten. Er zumindest wolle von den Etablierten lernen. Einen Tag vor der Landratswahl soll Sternberg in den Landesvorstand gewählt werden. Auf einem außerordentlichen Parteitag. Als Vize. Das hält nicht jeder Genosse für eine gute Idee. Zumindest zeugt es von Selbstvertrauen. Schwer vorstellbar, dass die SPD einen in den Vorstand hievt, der gerade eine Wahl verloren hat.

Sein auf den Plakaten abgedruckter Wahlspruch lautet übrigens: Engagiert. Erfrischend. Echt. Echt sei er, weil er von hier ist. „Erfrischend, weil ich bin, wie ich bin.“ Und engagiert: Da müsste man einfach nur den montäglichen Telefonaten mit seinen Mitarbeitern lauschen. Deren erste Frage wäre in der Regel, was sich Sternberg denn über das Wochenende schon wieder ausgedacht habe. Einiges , wie immer. „Man ist nie fertig,“ sagt er.

Sebastian Schramm, "Die Methode Merkel", Schweriner Volkszeitung (17.05.2018)